Monday, August 31, 2020

Bei den Rössern des Poseidon - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Am 22. Juli 2020 fand Clara Pufe das kleine Tier am Strand von Cadzand-Bad in den Niederlanden. Obwohl nur Rumpf und Schwanz übrig waren und das charakteristische Pferdeköpfchen fehlte, wusste die Sechsjährige gleich, was sie da vor sich hatte, kennt sie Seepferdchen doch von den Besuchen im Aquarium und zählt die eigenartigen, weitläufig mit den Barschen verwandten Fische zu ihren Lieblingstieren.

Solche Funde sind rar. Nicht nur für junge Muschelsammlerinnen, sondern auch für den Biologen Rainer Borcherding. Er arbeitet für die Schutzstation Wattenmeer in Husum und hat die Website www.beachexplorer.org mitentwickelt, auf der jeder seine Strandfunde mitteilen kann, die dann in einer Datenbank gesammelt werden. Borcherding hat die Meldungen zu Seepferdchen aus über hundert Jahren zusammengetragen. Demnach wurden an Nord- und Ostsee seit 1886 gerade mal siebzig Funde gemeldet, zwischen denen zuweilen Jahrzehnte ohne Sichtung lagen.

Seit neunzig Jahren ausgestorben

Wie der Sammlung zu entnehmen ist, kommen an der Wattenmeerküste zwei der insgesamt 43 Arten der Gattung Hippocampus vor: das Langschnäuzige Seepferdchen (H. guttulatus) und das Kurzschnäuzige (H. hippocampus). Die beiden würden oft verwechselt, sagt Borcherding, aber Genanalysen hätten beide Arten nachgewiesen. Der Lebensraum sowohl des Langschnäuzigen als auch des Kurzschnäuzigen Seepferdchens erstrecke sich in der Nordsee von Belgien bis hinauf nach Dänemark und über das Kattegat in die Ostsee hinein. „Im Wattenmeer überwiegt das Kurzschnäuzige Seepferd“, sagt der Biologe. „Das habe ich auch schon selbst gesehen.“

Seepferdchen gehören zu der einzigen Tiergruppe, bei der die Männchen die Babys austragen.

Seepferdchen gehören zu der einzigen Tiergruppe, bei der die Männchen die Babys austragen. : Bild: dpa

Dass selbst Fachleute den kultigen Fischchen nur selten begegnen und entsprechend wenig über ihre Verbreitung im Wattenmeer bekannt ist, liegt unter anderem daran, dass schwer an sie heranzukommen ist. Dort, wo sie leben, sei es für die meisten Forschungsschiffe zu flach, aber für Untersuchungen zu Fuß seien sie ebenfalls nur schlecht zu erreichen, sagt Borcherdings Fachkollege Christian Abel, der bei der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer für den Meeresnaturschutz zuständig ist. Seepferdchen leben buchstäblich in einer Übergangszone. Dass sie außerdem nur selten an die Strände gespült werden, weist auf intrinsisch kleine Populationen der durch das Washingtoner Abkommen geschützten Tiere hin. Seepferdchen galten seit den 1930er Jahren im deutschen Wattenmeer als ausgestorben.

Mehr Daten bedeuten nicht automatisch mehr Seepferdchen

Kommen sie jetzt zurück? Tatsächlich ist der Fund der aufmerksamen Clara der bislang jüngste einer Hoffnung schürenden Reihe. Seit 1998 werden Seepferdchen wieder häufiger gesichtet, zunächst in Belgien, doch 2007 wurden gleich mehrere Exemplare im niederländischen und deutschen Wattenmeer gefunden. Auffällig ist vor allem, was sich in den Niederlanden abspielt: Fast zwanzig Funde waren es 2019, überwiegend vor Zeeland, und gut dreißig schon bis Ende Mai 2020. Rainer Borcherding hält diesen Zuwachs auch für einen Beobachtungseffekt: Man erhalte durch die beiden Internetportale beachexplorer.org und waarneming.nl eine viel bessere Datenlage als früher. Andererseits habe es 2007 offenbar eine echte Einwanderungswelle von Seepferdchen in das Wattenmeer gegeben.




August 31, 2020 at 01:51PM
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Garnele
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